#3 Timisoara — Sofia — Istanbul

#3 Timisoara — Sofia — Istanbul

In Timisoara hat es mir ziemlich gut gefallen; die Stadt ist recht hübsch und die Leute sind zumeist freundlich. Leider musste ich das Hostel aber an diesem Donnerstag bereits wieder verlassen, obwohl ich noch ein oder zwei Tage länger hätte bleiben können. In dem besagten Hostel habe ich auch Jaffar kennengelernt, ein Brite aus London mit kenianischen Wurzeln, der für die Londoner U-Bahn arbeitet. Er musste auch Richtung Sofia, somit hatte ich für die Etappe Begleitung gefunden, was das Reisen an sich auf jeden Fall deutlich angenehmer macht.

Timisoara

Aus Timisoara konnten wir recht zügig Richtung serbischer Grenze fahren. Die Ausreise aus Rumänien verlief erwartungsgemäß schnell, die Einreise nach Serbien dafür gegenteilig. Der serbische Grenzbeauftragte schien etwas gegen unsere Reisepässe zu haben. Nervös blätterte er zwischen den gestempelten Seiten und Visa hin und her, suchte seine Brille und begutachtete jeden Quadratzentimeter der Pässe mit genauem Blick. Dann der Griff zum Telefon, das wahrscheinlich schon seit Jugoslawien-Zeiten seinen Dienst im dreckigen Grenzer-Häuschen verrichtet. Der Beamte bellte ein paar kurze Befehle in den abgegriffenen Hörer, und wir durften zur Erleichterung der hinter uns Wartenden an die Seite fahren und 20 Minuten dort parken, bis uns die Weiterfahrt erlaubt wurde.

Bei bestem Regenwetter krochen wir die serbischen Landstraßen entlang, etwas wirklich Sehenswertes gab es unterwegs nicht, wobei die serbischen Dörfchen architektonisch etwas reizvoller sind als die in Polen oder Rumänien. Die Scheibenwischer verrichteten stumm und hyponotisierend ihren Dienst.

Irgendwann gelangen wir auf die serbische Autobahn A1 in einem wirklich guten Ausbauzustand, sodass man sogar mal wieder schneller als 80 km/h unterwegs war. Bestimmte Abschnitte befinden sich dennoch im Bau, sodass wir einer Umleitung folgen musste, die uns durch zahlreiche Tunnel zwischen den Bergen entlang führte — trotz Regen sah die Umgebung sehr beachtlich aus.

Umleitung durch die Berge von Serbien

Der Ausbau der Autobahn in Serbien ist als eine der Transitrouten aus Europa Richtung Türkei wirklich notwendig und die Serben haben gute Arbeit geleistet. Wir waren fast die gesamte Fahrt über das einzige (wenn nicht sogar einzigste!) Fahrzeug auf der autobahngleichen Straße, nur ab und zu verirrte sich ein LKW auf die rechte Spur, der sich in schwarze Abgaswolken gehüllt die Berge hochkämpfte.

Meine Wenigkeit am Auto auf einem Rastplatz in Serbien. Ich lache, weil ich noch nicht auf der Toilette im Hintergrund war. Es war… nicht zum Lachen.

Der serbische Grenzübergang Richtung Bulgarien war dann wieder problemlos, und schon waren wir in Bulgarien wo die tolle Autobahn abrupt endete und durch eine enge Landstraße ersetzt wurde. Ich hielt an einer Tankstelle, aber leider war der Strom gerade ausgefallen und das Thema Tanken hatte sich erstmal erledigt — welcome to Bulgaria.

Der bulgarische Autofahrer fährt im Allgemeinen doppelt so schlimm wie die übrigen Osteuropas, der Verkehr in Sofia war erwartungsgemäß ein Albtraum. Irgendwann erreichten wir unser Hostel; da es schon dunkel war, beschäftigte ich mich nicht wirklich mit der Parkplatzsuche. Jaffar musste weiter nach Nord-Bulgarien, sodass unser gemeinsamer Abschnitt der Reise sich leider schon wieder dem Ende näherte.

Ich habe nicht viel von Sofia gesehen, aber das was ich gesehen habe war alles andere als schön. Auch in Sofia gibt es offensichtliche Armut und Randgruppen der Gesellschaft, die beispielsweise als „Ampel-Scheibenputzer“ versuchen, ein paar Lew zu erhaschen. Leider sind diese „Dienstleister“ allesamt sehr aufdringlich, auch wenn man die Stadt zu Fuß erkundet. Ich habe teilweise Verständnis für die Lage der Armen, aber ich denke nicht, dass ich noch einmal wiederkommen werde. Bedingt durch die Tallage ist die Luft in Sofia entsprechend schlecht, alle Abgase stauen sich, und da es so innovative Sachen wie Umweltzonen und Fahrverbote (oder sogar Stickoxidmessungen!) in Bulgarien nicht gibt, wird sich daran erstmal auch nichts ändern. Allgemein wirkte Sofia auf mich sehr kühl und unpersönlich, aber ich möchte nicht weiter darüber urteilen, da ich nicht wirklich lange dort war.

Ich wollte nicht zu viel Zeit in Sofia verschwenden und Istanbul möglichst im Hellen erreichen, zudem war das Hostel und der Aufenthalt dort nicht wirklich spektakulär. Also ging ich am nächsten Morgen nach einem kurzen Einkauf zurück zum Auto. Dort empfing mich ein grimmiger Bulgare mit cooler verspiegelter Sonnenbrille, der wohl gerade seinen Rausch bei einem kleinen Spaziergang auszukurieren versuchte. Jedenfalls sprach er mich auf Englisch an und wies mich darauf hin, dass ich auf einer Grünfläche parken würde — interessant, was der lokale Flora-und-Fauna-Blockwart als Grünfläche definierte, parkte ich doch in einer undefinierbaren Melange aus Erde, Matsch und Steinen. Leicht benebelt vom Atemalkohol des Zeitgenossen entschuldigte ich mich, wie es sich gehört, mindestens drei Mal und ergriff dann die Flucht mit meinem Auto. Ich weiß nicht, ob er mir noch irgendetwas mitzuteilen hatte, aber er war nicht unbedingt damit einverstanden dass ich fuhr. Nun ja.

Die Straße Richtung Türkei war mal gut, mal schlecht, alles in allem aber gut fahrbar und mit bestem Wetter. Endlich war ich im Frühling angekommen! Das machte meine Pausen auf den vereinsamten, vermüllten Rastplätzen (eigentlich ist das zu nett, eher „asphaltiertes Stück direkt an der Autobahn“) um Einiges angenehmer. Nur ab und an verirrte sich ein streunender Hund auf den Parkplatz, der traurig zwischen Abfällen nach etwas Verwertbarem suchte.

„Rastplatz“

Die Grenze zur Türkei kündigte sich bereits einige Kilometer vorher durch eine riesige Schlange von LKW an, bestimmt um die fünf Kilometer. Die Fahrer grillten, tranken Tee, spielten Karten — ich möchte nicht wissen, wie lange sie dort schon warteten bzw. wie lange sie noch warten mussten.

LKW-Stau an der Grenze

Aus Bulgarien konnte ich innerhalb von 20 Sekunden ausreisen. Über den türkischen Grenzübergang hatte ich ausschließlich positive Sachen gehört, sodass mich entspannt an der Schlange von 30 Autos anstellte und mich mental schon auf die gastfreundliche Türkei vorbereitete.

Ich wurde plötzlich unsanft aus meiner Rêverie gerissen, als ein weiterer Schalter geöffnet wurde und die wartenden Fahrer ihre Fahrzeuge mit laut aufheulenden Motoren zu ebendiesem Checkpoint jagten. Das Ganze sah ein bisschen aus wie eine Raubtierfütterung oder wie dieser Moment im Supermarkt, wenn eine neue Kasse geöffnet wird und jeder mit seinen Einkaufswagen ohne Rücksicht auf Verluste um den ersten Platz in der neuen Schlange kämpft. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen, ließ mein Auto Stück für Stück vorrollen und kramte meinen Reisepass hervor.

Als ich schließlich an der Reihe war, konnte ich bereits am Blick des Grenzofficers sehen, dass es heute wieder einmal ein Problem gab. Er griff nach einer ausgiebigen Begutachtung meiner Person theatralisch zum Telefon, brüllte ein paar Worte hinein und wies mich an, mein Auto an der Seite zu parken, er würde „gleich wiederkommen“.

Da stand ich nun also, ohne Pass, ohne Papiere, ohne Internet und wartete auf… ja, auf was eigentlich? Nach einer Stunde war mir das Warten zu blöd und ich winkte einem anderen Grenzmenschen zu, aber ich bekam keine Reaktion.

Nach weiteren 15 Minuten kam ein Zivilpolizist zu mir, führte mich in einen anderen Raum und befragte mich bezüglich meiner Reisepläne. Ich beantwortete natürlich alles ordnungsgemäß und er begann mein Handy zu kontrollieren. Facebook, Anrufe, Kontakte, Bilder; schließlich bekam ich meinen Pass zurück und durfte fahren.

Beim Herausfahren hielten mich die Zöllner auf und wiesen mich darauf hin, dass ich eine Versicherung kaufen müsste. Also lief ich zum Schalter des Versicherungsbeauftragten, zahlte happige 85 Euro und ging zurück zum Zoll. Es fehlte ein Stempel, also zurück zum Schalter, nochmal anstellen und warten. Als ich dann an der Reihe war, verweigerte er mir den Stempel, denn er müsse das Auto sehen.

Ich lief also, leicht genervt (aber wirklich nur ganz leicht genervt) zurück zum Auto, fuhr die 100 Meter zum Schalter, bekam mein Stempel und fuhr dann wieder zu den Zöllnern. Mein Auto wurde kontrolliert und ich durfte endlich fahren.

Ein deutsches Pärchen, das mit einem Bulli ebenfalls nach Zentralasien fährt, hat es schlimmer erwischt, sie mussten noch zur Röntgenkontrolle — also habe ich soweit sogar ein bisschen Glück gehabt. Alles in allem hat mich der ganze Spaß dennoch 2 Stunden gekostet.

Irgendwann kam ich in Istanbul an, es war natürlich schon dunkel. Im schrecklichen Istanbuler Verkehr (und ich dachte, Ost-Europa sei schlimm) habe ich mich zu allem Überfluss noch verfahren und stieß in den unglaublich steilen Nebenstraßen von Istanbul an meine fahrerischen Grenzen. Irgendwann habe ich das Haus meines Couchsurfing-Gastgebers dann aber erreicht.

Der türkische Verkehr wird dominiert von Egoismus, Dreistigkeit, Hupen und wilden Gesten — man darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, jeder scheint es eilig zu haben und Verkehrsregeln sowie -einrichtungen werden eher als gut gemeinte Empfehlung empfunden. Der Warnblinker berechtigt sowieso zu Manövern aller Art ohne Einschränkung. Als Fußgänger darf auf keinen Fall damit gerechnet werden, dass Autos an Überwegen anhalten (ist j auch total abwegig!), man muss alle europäischen Standards vergessen – aber es ist auch in einer gewissen Weise interessant, weil alles ja irgendwie doch funktioniert.


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