#11 Tehran — Esfahan — Mashhad

#11 Tehran — Esfahan — Mashhad

Iran — was wissen wir eigentlich genau über dieses Land?

Genau das wollte ich erfahren und habe daher versucht, einen möglichst großen Einblick in die Islamische Republik zu bekommen. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, mit vielen Leuten im Alter zwischen 20 und 25.

Seit dem Jahr 1979 ist der Iran eine islamische Republik, nach einer Revolution und dem Aufstieg des Ajatollah Chomeini. Das politische System des Iran ist etwas Besonderes, besteht es doch aus demokratischen und theokratischen Elementen; die religiösen Züge überwiegen jedoch größtenteils.

Laut Bundeszentrale für politische Bildung sind knapp zwei Drittel der Bevölkerung jünger als 30 Jahre; das habe ich zwar nicht ganz so gespürt, aber man sieht doch viele junge Leute auf den Straßen. Meist sind sie gut gebildet, studieren oder haben ihr Studium bereits abgeschlossen — dennoch herrscht ein Mangel an Perspektiven, viele arbeiten nicht in dem Bereich, den sie studiert haben oder haben gar keine Arbeit. Der Frust und die Wut über die Lage im Land ist hoch. Man kann feststellen: Je gebildeter die Person, desto höher die Nichtübereinstimmung mit Regierung und Politik im Land.

Viele haben den Traum, später einmal in Europa oder den USA zu arbeiten und zu leben; auch gerade deswegen werden Sprachkurse immer beliebter. Kaum einer sieht die Zukunft im eigenen Land und möchte so schnell wie möglich das Land verlassen. Der Westen ist das Traumziel, gilt als Symbol für Wohlstand und Erfolg — fast jeder möchte dorthin.

Gerade das aber ist nicht einfach. Für Visa und eine Ausreise aus dem Iran müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden, an denen viele scheitern. Männer haben es nochmals schwerer, wird Ihnen der Reisepass erst nach dem Absolvieren von zwei Jahren Militärdienst ausgestellt.

Man kann die Entwicklung des Hasses auf die Führung des Landes wirklich spüren, wenn ich mit Leuten darüber sprach; die junge Generation schreit förmlich nach Veränderungen. Mein Gastgeber in Tehran prophezeite mir, dass im Iran 2018 das Jahr der Veränderungen sein wird und spätestens in ein paar Monaten grundlegende Veränderungen stattfinden — denn auch die ältere, bereits länger arbeitende Menschen sind unzufrieden mit der Situation des Arbeitsmarktes. Daraus resultierten auch die Proteste zu Anfang des Jahres.

Im Iran ist es Pflicht, als Mädchen respektive Frau einen Hijab, also ein Kopftuch zu tragen. Wer es nicht tut, wird von der „Hijab-Polizei“ verhaftet — auch, wenn beispielsweise das Kleid zu kurz oder nicht richtig geschlossen ist.
Bei einigen Protesten in Tehran haben einige Frauen ihr Kopftuch abgelegt, kamen daraufhin in Haft. In iranischen Kreisen sind sie aber eine Art Symbol der Protestbewegung.
Junge Frauen legen die Kopftuchregel mitunter sehr kreativ aus, sodass nur noch ein kleiner Teil des Kopfes bedeckt wird, es wird leger über die Schulter gelegt und bildet auch so einen gewissen stillen Protest im Rahmen des Erlaubten.

Die Wirtschaft im Iran ist nicht optimal aufgestellt, sehr auf den heimischen Markt ausgerichtet, kaum ein ausländisches Unternehmen ist dort aktiv. Die iranischen Waren können mit der internationalen Konkurrenz nicht mithalten (wenn es überhaupt exportiert wird), vieles ist veraltet oder funktioniert erst gar nicht. All dies ist ein Resultat der Sanktionen, die den Iran in Bedrängnis bringen; am meisten leidet aber die Bevölkerung darunter.
Die Inflation der iranischen Währung steigt fast täglich an, aber die ohnehin schon niedrigen Löhne natürlich nicht. Die Regierung möchte das natürlich nicht wahrhaben, deswegen sind inzwischen alle finanziellen Aktionen im Land unter staatlicher Kontrolle.

Fernsehen ist auch so eine Sache; es existiert zwar staatliches Fernsehen, aber das unterliegt natürlich der Regierung und zeigt sehr einseitige Nachrichten.
Die meisten schauen daher Satellitensender, die beispielsweise aus London gesendet werden. Um das zu vermeiden, sendet die iranische Aufsicht aber auch gerne mal Störwellen, um den Satellitenempfang zu stören — vor Allem, wenn mal wieder etwas Aufsehenerregendes passiert ist oder die Regierung in Bedrängnis geraten.

Ich muss aber sagen, dass die Leute im Iran keineswegs durchgehend unzufrieden oder unglücklich sind — nein, ganz im Gegenteil, auch im Iran haben die Menschen Spaß, gehen aus, genießen ihr Leben. Natürlich, ja, bestimmte Dinge sind verboten oder die Leute werden eingeschränkt (s. Hijab), aber das gibt es auch in anderen Staaten und hindert noch lange nicht am Glücksichsein (zumindest meistens). Es ist alles eine Sache der Betrachtung, wurde mir gesagt.

Und auch der Westen ist gar nicht so weit entfernt, wie man denkt; man trinkt Coca-Cola, schaut europäische Serien und Filme*, postet auf Instagram oder surft im Internet.

Infrastruktur ist in einem hohen Maße vorhanden: Schulen, Universitäten, öffentlicher Nahverkehr und auch die Verbindungen zwischen den Städten sind sehr gut ausgebaut. Und ich habe im Iran nie eine schlechte Straße erlebt, was ich ehrlich gesagt so nicht erwartet hätte

Meine weitere Zeit im Iran verbrachte ich sonst noch in Esfahan, etwa sechs Autostunden südlich von Tehran, und Mashhad, der letzten größeren Stadt vor der turkmenischen Grenze.

Esfahan (oder auch Isfahan) war ganz hübsch zum Ansehen, mehr als einen ganzen Tag braucht man aber auch dort nicht.

Nagsch-e Jahan, Esfahan

Mashhad war schön und etwas entspannter als Tehran, hat aber außer noch mehr religiöser Architektur nicht viel mehr zu bieten.

Emam-Reza Holy Shrine

* Auch der Iran hat einige hochkarätige Filme aus Eigenproduktion, die teilweise oscarprämiert sind; ich empfehle „A Seperation“, welcher auch einen authentischen Einblick in das iranische Leben gibt

Fazit Iran

Mein Fazit zum Iran? Ich war begeistert von der Gastfreundschaft und der Freundlichkeit der Menschen, die ich näher kennengelernt habe — damit meine ich aber nicht die aufdringlichen Situationen, die ich im letzten Blogbeitrag beschrieben habe. Das ist nämlich eine der Sachen, die mir überhaupt nicht gefallen haben.

Nichtsdestotrotz habe ich neue Freundschaften geschlossen und Einblicke genossen, die ich sonst so nie erhalten hätte; wenn man etwas persönlich sieht, lernt und nachvollzieht ist es eine ganz neue Erfahrung und hilft mir, Land und Leute besser zu verstehen.

Auch landschaftlich ist der Iran wundervoll, von Wüste über Berge, Küste und tiefsten Wäldern bis hin zu drückender Hitze und Schneefall lässt sich alles im Iran finden.

Würde ich es empfehlen, in den Iran zu reisen? Nun, mit gewissen Empfehlungen tue ich mich manchmal schwer, gerade auch jetzt beim Iran. Ich denke, dass jeder sich auf Basis meiner Texte und auf jeden Fall auch durch andere Quellen ein Bild erstellen sollte, ob der Iran das richtige Reiseziel ist.
Was ich aber sagen kann ist, dass die Reise prägen wird und unvergessen bleibt — sei es negativ oder positiv, wobei es 100%ig so ist, dass die guten Momente die schlechten bei Weitem übersteigen und übertreffen werden.

Und eins steht definitiv fest: Wenn man dann bei einem Tee in der Abendsonne sitzt und dazu die beste iranische Cuisine genießt, ein interessantes Gespräch führt und über alles einmal nachdenkt, sind auch die unangenehmen Erfahrungen schnell vergessen.


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